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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 28.02.2023


Nora Pester. Jüdisches Leipzig. Menschen – Orte – Geschichte
Sharon Adler

Der von Herausgeberin Dr. Nora Pester im Hentrich & Hentrich Verlag erschienene Band zeichnet jüdische Lebenswege in Leipzig kenntnisreich wie empathisch nach. Wer Leipzig bisher nur mit der jährlich stattfindenden Buchmesse oder der Jüdischen Woche in Verbindung gebracht hat und sich bisher noch nicht mit der jüdischen Geschichte dieser spannenden Kulturstadt beschäftigt hat, findet in diesem Band zahlreiche Informationen und Inspirationen zur Heimat der größten Jüdischen Gemeinde Sachsens.




Jüdinnen und Juden in Leipzig

Wussten Sie, dass Jüdinnen wie Henriette Goldschmidt und Bettina Brenner zu den bedeutendsten Vorkämpferinnen der Frauenrechtsbewegung in Deutschland zählten? Dass es am Brühl mehr als 800 Rauchwarenbetriebe gab, die zumeist von jüdischen Familien geführt wurden? Dass die Musikbibliothek Peters die erste öffentliche, kostenfreie und auch für Frauen zugängliche Spezialbibliothek Deutschlands war? Dass der jüdische Sportverein Bar Kochba auch über Leipzig hinaus Erfolge feierte? Dass die bekannten Jazz-Musiker Rolf und Joachim Kühn hier aufgewachsen sind? Oder dass Karl Wittgenstein, der Vater von Ludwig Wittgenstein, hier lebte, ebenso wie die Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler, der Verleger Kurt Wolff und die Fotografin Gerda Taro, deren Partner, Robert Capa, hier eines der bekanntesten Fotos zum Ende des Zweiten Weltkrieges schoss?

Die Herausgeberin Nora Pester zeichnet deren, oft verschlungene Lebenswege nach und macht die Bedeutung ihres Wirkens sichtbar.

"(…) ich habe mich entschieden, die in ihren Bereichen prominente Persönlichkeiten auszuwählen, deren Biographien paradigmatisch für die Vielfalt jüdischer lebensentwürfe innerhalb und außerhalb der Jüdischen Gemeinde in Leipzig stehen"

Bei ihrer intensiven und akribischen Recherche begibt sich die Autorin auf manches Nebengleis und findet spannende Verflechtungen von Menschen und Orten, der Wege jüdischer Leben und auch Überlebenswege seit der Errichtung der ersten Synagoge im 13. Jahrhundert über die Gemeindegründung 1847, die Blütezeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg, dann der Vertreibung und Auslöschung bis zur Zeit nach 1945 und dem jüdischen Leben in der DDR sowie nach der Wendezeit bis heute.
Trotz der Fülle des Materials, der Namen, Daten und Orte gelingt es ihr, diese zu einem übersichtlichen Ganzen zusammen zu tragen.

Dabei lässt sie als gebürtige Leipzigerin auch manche persönlichen Erinnerungen einfließen, die das Buch zu weit mehr machen als nur einem Städteguide.

AVIVA-Tipp: "Jüdisches Leipzig" macht vergessene oder zerstörte Orte jüdischen Lebens und Wirkens in Leipzig sichtbar und lädt die Leser*innen dazu ein, diese Orte selbst aufzusuchen und sich auf die Spuren jüdischer Leipziger zu begeben. Darüber hinaus stellt der Band auch jüdische wie nichtjüdische Protagonistinnen und Protagonisten und Organisationen aus dem gegenwärtigen Leipzig vor, die sich in vielfältiger Weise um den Erhalt dieser Orte einsetzen und schlägt so den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.
Für jüdische wie nichtjüdische Leser*innen gleichermaßen informativ und bewegend.

Zur Autorin: Nora Pester, geboren in Leipzig, Studium der Hispanistik, Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Leipzig und Wien, Promotion in Politikwissenschaften. Tätigkeit u.a. beim Passagen Verlag, Wien, im Museumsquartier Wien (ZOOM Kindermuseum) und bei Matthes & Seitz, Berlin. Seit 2010 Inhaberin und Verlegerin des Hentrich & Hentrich Verlags. Seit 2019 Vorstand von Netzwerk Jüdisches Leben e. V. und Kultursenatorin der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie seit 2021 Beiratsmitglied der Holger-Koppe-Stiftung.

Nora Pester
Jüdisches Leipzig
Menschen – Orte – Geschichte

180 Seiten, Klappenbroschur Sprache: Deutsch, 103 Abbildungen
ISBN: 978-3-95565-562-4
Hentrich & Hentrich Verlag, erschienen: 2022
19,90 €

In Kooperation mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig als Beitrag zur Diskussion um ein jüdisches Museum in Sachsen
Mit einer historischen Einführung von Sven Trautmann
Mit ausklappbarer Karte
Mehr zum Buch und Bestellung unter: www.hentrichhentrich.de

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Juden in der DDR. Jüdisch sein zwischen Anpassung, Dissidenz, Illusionen und Repression. Porträts. (Hg. Anetta Kahane und Martin Jander). Jung und Jüdisch in der DDR. (Hg. Sandra Anusiewicz-Baer, Lara Dämmig)
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Juden in Sachsen – herausgegeben von Gunda Ulbricht und Olaf Glöckner
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Jüdisches Paris - Alexander Kluy
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Judith Kessler und Lara Dämmig haben mit Unterstützung der Stiftung Zurückgeben einen spannenden und übersichtlichen Reiseführer zu vergessenen oder verborgenen deutsch-jüdischen Stätten herausgegeben. (2008)





Quelle: Hentrich & Hentrich Verlag


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Beitrag vom 28.02.2023

Sharon Adler